Entrepreneurship Education
Das Thema „Entrepreneurship“ findet im Gesundheitsbereich seit geraumer Zeit stärkere Aufmerksamkeit. Dies gilt ebenso für den Bereich “Entrepreneurship Education”, welcher sich in den letzten Jahren auch als wissenschaftliche Disziplin etablieren konnte und zuletzt im Rahmen der strategischen Zielsetzung von Hochschulen und laufender Förderlinien eine größere Beachtung erfahren hat. Im Medizinstudium ist der Bereich allerdings noch nicht fest verankert.
Hinter dem Thema „Entrepreneurship Education“ steckt mehr als nur die Vorstellung eines effektiven Trainings für angehende Gründer. Vermittelte Kompetenzen eröffnen neue Perspektiven und werden zunehmend wichtiger für eine erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsleben. Der folgende Beitrag stellt den Mehrwert eine Lehrkonzeptes für praktische Entrepreneurship Education dar und erklärt die didaktische Perspektive im Hochschulkontext. Zudem wird die mehrjährige Umsetzung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin vorgestellt.
Studiengang Humanmedizin
Studierende der Humanmedizin werden normalerweise nach einem klassischem Lehrkonzept ausgebildet. Guckt man sich den Studienplan der angehenden Mediziner an, so stellt man schnelle fest, dass die Betriebswirtschaft kaum oder gar nicht vorkommt. Dabei wäre BWL-Wissen nicht nur für die Selbständigkeit mit eigener Praxis, sondern auch für die Karriere z.B. in Kliniken sehr sinnvoll. Die Anforderungen an BWL-Wissen von Ärzten nehmen stetig zu. Zumindest dann, wenn man sich für einen Aufstieg auf der Karriereleiter bzw. den ökonomischen Ausbau seiner Praxis interessiert. Dennoch werden Studierende in den meisten medizinischen Fakultäten nicht mit dem notwendigen BWL-Basiswissen vorbereitet.
„Das Wahlpflichtfach zeigte mir die Business-Welt im Krankenhaus. Das fand ich total spannend!„
Anton Müller
Medizinstudent
BWL für Mediziner
Ärzte werden zunehmend auch an ökonomischen Leistungen gemessen. Zudem denken immer mehr Medizine über alternative Karrierewege zur klassischen Facharzt Laufbahn nach, z.B. in der Unternehmensberatung oder in Startups. Unabhängig des Arbeitsplatzes werden organisatorische und ökonomische Business-Kompetenzen benötigt, um erstens an einem nachhaltigem Management mit entsprechender Führung partizipieren zu können, und zweitens um mit den BWL-Experten auf Augenhöhe sprechen zu können.
Ökonomen haben die Klinik-Finanzen im Blick, Mediziner das Wohl der Patienten – so lautet eine weitverbreitete Sichtweise. Doch wer ist besser geeignet, ein Krankenhaus zu leiten?
Ein sehr großer Aspekt betriebswirtschaftlichen Denkens spielt die Digitalisierung. Im Grunde ein Überbegriff für die Nutzung knapper digitaler Ressourcen für größt- und bestmöglichen Output. Auch dieser Bereich und eine entsprechende Herangehensweise ist in herkömmlichen Studiengängen nur marginal vertreten. Digitalisierungsprojekte verfolgen i.d.R. einen iterativen Ansatz, um agil sämtliche Anforderungen bewältigen zu können.
Im Rahmen eines Wahlpflichtfaches für Medizinstudierende (“Startup Health – Unternehmensführung und -gründung im Gesundheitswesen”) haben wir einen 3-wöchigen didaktischen Begleitungsansatz geschaffen, der Studierende nach dem 6. Fachsemester auf ihre Karriere vorbereiten soll. Der erste Teil des Kurses, Unternehmensführung, fokussiert sich auf Krankenhausmanagement im Universitätsklinikum. Von Abrechnungs- und Organisationsprozessen bis zur Personal- und Deckungsbeitragsrechnung, werden ökonomische Themen vorgestellt, die den Klinik-Alltag massiv beeinflussen. Das besondere an diesem Teil ist, dass viele Gastvortragende und -diskutanten diverse Perspektiven ermöglichen.
Im zweiten Teil werden die Studierenden in das Thema Unternehmensgründung eingeführt. Anhand eines agilen Frameworks (CANVAS) und einer Kunden-orientierten Methode (Design-Thinking) werden die Studierenden in die Rolle eines Gründers versetzt. In 2er Teams werden tägliche Challenges bearbeitet, die sukzessive zu einem Geschäftsmodell führen, das abschließend präsentiert und bewertet wird. So können die Studierenden auf ihrem Lernpfad iterativ gecoacht werden und entsprechende Eigenverantwortung gefordert werden. Im Vordergrund stehen aktive Gruppenarbeit in einem unbekannten Feld, sowie praxisnahe Coachings für laufende Verbesserungen. Das Besondere an diesem Teil ist, dass zwei erfahrene Gründer als externe Coaches und Role-Models fungieren.
Durch regelmäßige Challenges für alle Projektteilnehmer und anschließende Coachings können die Studierende neu auftretende Anforderungen oder einem sich ändernden Umfeld gerecht werden. In der inhaltlichen Vorgehensweise entsteht somit ein Mindset der ständigen Konzeptionierung, Testung und Weiterentwicklung. Und genau dieses Mindset wird den Studierenden im Rahmen des Wahlpflichtfaches vermittelt.
Gesammelte Erfahrungen
Iterative begleitende Lehrkonzepte werden von den Studierenden sehr gut angenommen. Die Teilnehmerquote und -partizipation bewegt sich zwischen 95-100%. Regelmäßig erhalten sich sehr gutes Feedback der Teilnehmer für den Kurs, welcher bereits seit vier Jahren jedes Semester “wiedergewählt” wurde. Insbesondere für digitale Lehre eignet sich das blended Groß- und Kleingruppen Format. Eigenständige Modellierungen für digitale Geschäftsmodelle bieten zudem eine geeignete didaktische Anwendungsmöglichkeit, um praxisnahe Kompetenzen zu vermitteln. Die Reduzierung rein-theoretischer Inhalte bei gleichzeitiger Betreuungssteigerung durch frequentes Coaching sorgte für einen selbstbestimmten Lernprozess mit begleitenden Lernerfolgskontrollen. Kurzfristige “lessons learned” sind besonders bei digitalen Lernprojekten von hoher Bedeutung.
Insbesondere Studierende der Humanmedizin, deren Studium nach wie vor auf herkömmlichen Lehrmethoden aufbaut, konnten so eine innovative Abwechslung erfahren.
Ausblick
Im Modellstudiengang Humanmedizin der Charité Berlin hat sich das neue Lehrformat nachhaltig etabliert. Zukünftige Kurse werden dem Konzept der kompetenzorientierten Lehre mit diversen Modellen folgen, auch an anderen Universitäten. Nicht nur als Studierende können sie von einer projektbegleitenden agilen Didaktik profitieren. Vielmehr können sie mit dem Ansatz in ihrem späteren Berufsleben im Krankenhaus von diesem Ansatz in Zukunft profitieren.
„Durch das spannende Modul konnte ich mich in die Lage eines Gründers versetzen und an meiner Idee arbeiten, die ich schon lange mit mir herumtrage“
Lena Emmer
Medizinstudentin